Posts mit dem Label Eichborn Verlag werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Eichborn Verlag werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 26. April 2013

[Buch #5] Der kleine Bruder von Sven Regener

Kurzinformation

Titel: Der kleine Bruder
Autor: Sven Regener
Seiten: 283
Preis: 19,95€
Verlag: Eichborn Verlag
ISBN: 978-3821807447





Klappentext


Berlin-Kreuzberg, November 1980: Im Schatten der Mauer gedeiht ein Paralleluniversum voller Künstler, Hausbesetzer, Kneipenbesitzer, Kneipenbesucher, Hunde und Punks. Bier, Standpunkte, Reden, Verräterschweine - alles ist da. Nur eins fehlt: jemand, der alles mal richtig durchdenkt - Frank Lehmann aus Bremen. Nachdem seine WG dort vom Gesundheitsamt geschlossen wurde, das Zimmer bei seinen Eltern zum Fernseherreparieren benötigt wird und er nach kühnem Ausbruch aus dem Wehrdienst noch keinen Plan hat, fährt er erst mal nach Berlin - zu seinem großen Bruder Manni, der dort als Künstler lebt und eine große Nummer ist. Dachte er. Doch Manni ist weg. Weder sein Vermieter Erwin Kächele noch dessen Nichte Chrissie oder sein Mitbewohner Karl haben eine Ahnung, wo Manni steckt. Außerdem nennen sie ihn nicht Manni, sondern Freddie. (Amazon)


Erster Satz

Irgendwann war es so dunkel, dass Wolli schwieg.

Meine Meinung

 

Ich glaube, ich war noch nie so traurig, dass eine Reihe zu Ende gegangen ist! Ich muss einfach gleich zu Beginn sagen, dass ich die von Regener geschaffene Atmosphäre so angenehm und echt finde, dass ich unheimlich gerne in dem Buch gelesen habe. Außerdem fühlt es sich immer so an, als wäre da noch viel mehr zu erzählen, als das, was letztendlich aufs Papier gebracht wurde. Frank Lehmann wird so glaubwürdig beschrieben, als würde er wirklich existieren und das habe ich ja auch schon in meiner Rezension zum zweiten Teil, "Neue Vahr Süd" erwähnt.

Vom Schreibtstil ist das ganze auch eher anspruchsvoll, da es viele verschachtelte und lange Sätze gibt, die sich auch oft in den Gedanken von Frank Lehmann abspielen. Dafür beschreiben diese Sätze Frank Lehmann aber sehr gut. Er ist ein sehr - vielleicht überdurchschnittlich - intelligenter Mann, der sich in Berlin auf die Suche nach seinem Bruder macht.
Das Buch spielt an nur 3 Tagen. Am ersten Tag kommt Frank Lehmann mit seinem Freund aus Bremen, Wolli, nach Berlin und setzt diesen zunächst an einem Haus ab, bevor er zur Wohnung seines Bruders fährt. Allerdings weiß niemand so wirklich, wo Manni, oder Freddie, wie er mittlerweile von seinen Künstlerfreunden genannt wird, überhaupt abgeblieben ist.
Noch am gleichen Abend wird der Grundstein für Lehmanns späteren Job im Einfall gelegt - der, den er auch im ersten Band der Trilogie "Herr Lehmann" noch hat - als er für Klaus einspringt und dessen Bier verkauft.
Den zweiten Tag verbringt er auch komplett mit der Suche nach seinem Bruder. Er will dessen Kunst in der "ArschArt"-Galerie abholen, aber der Hauseigentümer P. Immel hat diese schon vor die Tür des Hinterhauses geworfen, um die Besetzer von eben jenem zu ärgern.
Am dritten Tag findet er seinen Bruder dann am Abend schlussendlich, nachdem sich herausgestellt hat, dass eigentlich jeder genau wusste, wo sich Freddie befand, es allerdings geheim halten wollte vor den anderen.

Ich finde das Ende des Romans sehr ernüchternd, aber nicht für den Leser sondern für Frank Lehmann, wenn man das denn so sagen kann. Einerseites scheint er froh zu sein, dass er seinen Bruder gefunden hat, denn schließlich ist er doch im Grunde nur wegen ihm nach Berlin gekommen und hatte viel Hoffnungen dort hineingesetzt. Aber dann sieht es doch so aus, als hätte er sich ganz falsche Vorstellungen gemacht, vor allem von seinem Bruder.
Dabei finde ich den Dialog zwischen Frank und Freddie doch sehr schön und vor allem ist er ein schönes, aber unerwartetes Ende - wie gesagt, ich hatte das Gefühl, als könnte das ganze Buch noch ewig weitergehen.

"Macht nichts, ist das ein Anzug von mir?"
-"Ja."
"Steht dir gut, kleiner Bruder. Pass auf dich auf!"
-"Mach ich!"
"Geh nicht verloren."
-"Ich doch nicht."

Wie man es sicherlich an meinen Rezensionen gemerkt hat, bin ich restlos begeistert von dieser Trilogie und gleichzeitig auch irgendwie traurig, dass sie vorbei ist. Ich hatte die Bücher nur ausgeliehen, aber meine anfängliche Skepsis ist wie weggefegt und ich werd sie mir wohl irgendwann zulegen. Das sind wohl ein paar der wenigen Bücher, die ich auch noch ein zweites Mal lesen würde. Die Bücher enthalten eine Komik, die irgendwie einerseits zum Lachen, andererseits aber auch, nach einigem Nachdenken zum Weinen ist.
Ich gebe dem dritten Teil wohlverdiente 5 Herzen und damit auch der gesamten Trilogie. Wer gerne tiefsinnigere, aber trotzdem urkomische Literatur liest, sollte auf jeden Fall über diesen Dreiteiler nachdenken!


Liebe Grüße,
die Karokoenigin.

Freitag, 5. April 2013

[Buch #2] Neue Vahr Süd von Sven Regener

Kurzinformation

Titel: Neue Vahr Süd
Autor: Sven Regener
Seiten: 583
Preis: 24,99€
Verlag: Eichborn Verlag
ISBN: 978-3821807430





Klappentext


Aufgewachsen in dem trostlosen, spießbürgerlichen Neubauviertel Neue Vahr Süd – mit Anschluss an die Autobahn –, steht Frank Lehmann zum ersten Mal in seinem Leben vor einem echten Problem: Er hat schlicht und einfach vergessen, den Wehrdienst zu verweigern. Und während er nun in der Kaserne Strammstehen und bedingungslosen Gehorsam lernen soll, proben seine Freunde schon einmal die proletarische Weltrevolution. Und es kommt noch schlimmer, denn der Auszug von Zuhause in eine chaotische Wohngemeinschaft stellt Frank vor existenzielle Fragen wie: Wer macht den Abwasch? Und: Wer darf eigentlich Sibille küssen? (Amazon)


Erster Satz


"Am letzten Tag, bevor er zur Bundeswehr musste, war Frank Lehmann in keiner guten Stimmung."


Meine Meinung


Was man gleich sagen sollte ist, dass dieses Buch bestimmt nicht etwas für jeden ist. Denn je mehr man über Frank Lehmann liest und je mehr man von ihm zu erfahren scheint, desto weniger weiß man eigentlich. Und so sehr man auch glaubt, dass er bloß eine Kunstfigur ist, eine ausgedachte Person, ohne Gesicht und ohne jemals existiert zu haben, so sehr ist "Neue Vahr Süd" auch irgendwie eine Lebensgeschichte, eine Biografie. Die Handlung ist nichts, was einem fern ist. Ich für meinen Teil konnte mich sehr gut in die Geschichte einfinden, hatte die Szenerie die ganze Zeit gut vor Augen und das liegt vielleicht daran, dass Frank Lehmann nicht nur eine Person ist. Frank Lehmann steckt vielleicht ein bisschen in allen von uns, weil ich ihn viel mehr als eine Krankheit unserer Zeit beschreiben müsste, wenn ich es denn müsste.
Ihm ist alles egal, solange es noch nicht soweit ist. Er kümmert sich nicht darum, seinen Kriegsdienst zu verweigern, bis er schließlich in der Kaserne ist und es praktisch zu spät ist.
Er kümmert sich auch nicht darum, Sibille besser kennenzulernen, bis sie sich in jemand anderes verliebt und er sich selbst seiner Gefühle klar wird.

Es gibt ehrlich nicht viel über diesen Roman zu sagen, - er ist weder gut noch schlecht, aber er hat auf jeden Fall seine Berechtigung - weil sich, wie ich finde, jeder selbst ein Urteil bilden muss, ob das ganze jetzt zum Nachdenken anregt, oder ob es vielleicht stellenweise zu verwirrend ist.
Denn nicht nur Frank Lehmann scheint wirre Gedanken zu haben. Vielleicht ist es der Autor, vielleicht die künstlerische Freiheit, aber man sollte auf gar keinen Fall glauben, dass sich dieses Buch schnell wegliest. An den beinahe 600 Seiten habe ich beispielsweise eine Woche gelesen und das trotz Ferien, wenn man es denn so nennen möchte.

Müsste ich diesen Teil mit dem ersten Teil "Herr Lehmann" vergleichen, dann würde ich den ersten Teil wohl vorziehen. Denn obwohl die Person Frank Lehmann deutlich im Vordergrund steht und nicht der geschichtliche Zusammenhang, so gefällt mir das doch besonders gut am ersten Band - der Mauerfall, mit dem der erste Band beispielsweise abschließt.
Der zweite Band geht da noch deutlicher auf die Geschichte von Frank Lehmann ein, allerdings nicht so sehr, dass man ihn als Person besser verstehen könnte, denn diese ist und bleibt mir ein Rätsel, sondern eher so, dass man seine Handlungen nachvollziehen kann.

Wie bereits erwähnt ist der Schreibstil sicherlich nicht besonders einfach. Es gibt viele, ellenlange Sätze, die sich vielleicht nur darum drehen, warum jemand ein bestimmtes Wort anstatt eines anderen verwendet hat. Die nur seine Gedanken beschreiben und die vielleicht vollkommen Fehl am Platze erscheinen, aber besonders diese Nachdenklichkeit machen den gesamten Roman aus, wie ich finde. Dialoge - richtige Dialoge, gibt es wenige. Eher solche, die gegenseitiges Unverständnis verdeutlichen.
Alleine vom Schreibstil her und von der Beschreibung Frank Lehmanns, war er in meiner Vorstellung viel älter, als Anfang 20. Das ist mir auch schon im ersten Band aufgefallen, aber noch nicht ganz so deutlich.

Insgesamt konnte mich auch der zweite Band sehr überzeugen. Der dritte Band wartet noch auf mich, aber wenn ich ehrlich bin, möchte ich diese Trilogie gar nicht beenden.
Von mir gibt es wieder überzeugende 5 Herzen, weil ich einfach, auch wenn ich es wollte, keinen Kritikpunkt finden kann. Als Gesamtwerk funktioniert dieses Buch einfach sehr gut und es ist sehr stimmig, wie ich finde.



Vielleicht konnte ich ja den ein oder anderen dazu anregen, dieses Buch zu lesen? Ich kann es auf jeden Fall nur empfehlen, es einmal zu versuchen. 

Liebe Grüße
Die Karokoenigin.

Sonntag, 24. März 2013

[Buch #1] Herr Lehmann von Sven Regener

 Kurzinformation

 
Titel: Herr Lehmann
Autor: Sven Regener
Seiten: 298
Preis: 19,99€
Verlag: Eichborn Verlag
ISBN: 978-3821807058
 

Klappentext

Der Wahlkreuzberger Lehmann ist noch keine dreißig, und er liebt sein ereignisloses Leben. Jahrelange Ausweichmanöver und heroische Trägheit haben ihn bisher erfolgreich vor den Ansprüchen seiner Umwelt verschont, bis das Jahr 1989 beginnt. Das Jahr der Wiedervereinigung stellt Herrn Lehmann auf eine harte Probe ... (Amazon)

Erster Satz

"Der Nachthimmel, der ganz frei von Wolken war, wies in der Ferne, über Ostberlin, schon einen hellen Schimmer auf, als Frank Lehmann, den sie neuerdings nur noch Herr Lehmann nannten, weil sich herumgesprochen hatte, dass er bald dreißig Jahre alt werden würde, quer über den Lausitzer Platz nach Hause ging."
  

Meine Meinung


Ich muss zugeben, dass ich ziemlich skeptisch war, ob ich dieses Buch überhaupt lesen wollte. Einerseits reizte es mich, aufgrund der Thematik schon sehr, aber dann war da der Autor, Sven Regener. Ein komischer Mensch, wenn man das so behaupten kann. Aber doch ein guter - und das mag untertrieben sein - Autor!
Der Protagonist, Frank Lehmann, stolpert nur so durch sein Leben, von einer ungewollten Situation in die nächste. Von einem Hund, der ihm im ersten Kapitel den Weg nach Hause versperrt und den er erst mit einer gestohlenen Flasche Whiskey - und vor allem dessen Inhalt - zu besänftigen weiß, über eine Diskussion mit der neuen Köchin Katrin über Schweinebraten und wann man diesen denn essen darf und wann nicht in der "Markthalle" am nächsten Morgen.

Dieser Roman ist sicher nicht etwas für Jedermann, aber mich konnte er gut unhalten. Alleine die ungewollte Komik ist es schon wert, einfach weiterzulesen, wie ich finde. Auch wenn das alles manchmal schnell in Tragik abdriftet, als zum Beispiel Herr Lehmanns bester Freund Karl zunehmend verrückt wird und sich niemand so recht um ihn sorgen möchte, außer eben Herr Lehmann selbst. Ich glaube, dass das ganze gut die Atmosphäre im Westberlin 1989, kurz vor dem Mauerfall beschreibt. 
Trotzdem legt Regener Wert darauf, dass das ganze nicht als "Wenderoman" oder "Berlinroman" abgestempelt wird, denn das ist es auch wirklich nicht. Dafür steht die Figur Frank Lehmann viel zu sehr im Vordergrund, denn das ganze ist auch aus dessen Sicht geschrieben und diesen scheint es nicht groß zu kümmern, was denn in Berlin eigentlich passiert. Er lebt in einem Mikrokosmos, die aus seiner Wohnung und der Kneipe in der er arbeitet, dem Einfall, zu bestehen scheint.
Abgesehen von Frank Lehmann erfährt man nicht wirklich viel über die verschiedenen Charaktere, aber auch das finde ich eigentlich gut gelöst, da es ebenfalls in das damalige Lebensgefühl hineinpasst. Jeder kümmert sich im Grunde nur um sich. Frank Lehmann ist da vielleicht eine Ausnahme, doch so wirklich merken tut das niemand. Sowieso scheinen ihn seine Freunde im Grunde zu ignorieren, treiben ihn nur dauernd zu irgendwelchen Dingen an, die er eigentlich gar nicht machen möchte. Zum Beispiel geht er, auf den Wunsch von Katrin hin, ins Prinzenbad, obwohl er davor schon seit 9 Jahren nicht mehr schwimmen war.
Das Buch endet in der Nacht, in der die Mauer fällt, dem 9. November 1989, was gleichzeitig auch Lehmanns dreißigster Geburtstag ist. Für ihn scheint es aber nur eine Nacht wie alle anderen Nächte davor auch zu sein, die er in einer Kneipe verbringt. 

Der Schreibstil ist stellenweise wirklich schwierig. Das erkennt man auch schon am ersten Satz. Die verschachtelten Sätze bleiben und auch die Thematik an sich ist manchmal nicht einfach nachzuvollziehen. Da philosophiert Lehmann gemeinsam mit Katrin über den Unterschied zwischen "lieben" und "verliebt sein", zum Beispiel. Der ganze Roman trägt sich zum Großteil alleine in den Gedanken von Frank Lehmann aus und so ist "dachte er" wohl eine der häufigsten Phrasen. Trotz all dieser Schwierigkeiten kam ich allerdings relativ flüssig durch das Buch.

Eine meiner Lieblingspassagen aus dem Buch möchte ich dabei nicht vorenthalten. Mir gefallen die teilweise wirren Gedankengänge gut, da sie auch den Leser zum Nachdenken anregen. Ist nebenbei auch eine dieser, im Verlauf des Buches ganz typisch werdenden Diskussionen zwischen der Köchin Katrin, mit der er auch kurzfristig eine Beziehung führt, und Herrn Lehmann.

"Moment mal", sagte Herr Lehmann. "Was soll das heißen, Lebensinhalt? Lebensinhalt ist doch ein total schwachsinniger Begriff. Was willst du damit sagen, Lebensinhalt? Was ist der Inhalt eines Lebens? Ist das Leben ein Glas oder eine Flasche oder ein Eimer, irgendein Behälter, in den man was hineinfüllt, etwas hineinfüllen muss sogar, denn irgendwie scheint sich ja die ganze Welt einig zu sein, dass man so etwas wie einen Lebensinhalt unbedingt braucht. Ist das Leben so? Nur ein Behältnis für was anderes? Ein Fass vielleicht? Oder eine Kotztüte?" (S. 58)

Die Handlung, die diesem Roman vorhergegangen wird, wird von Regener in zwei weiteren Büchern behandelt. Einmal ist das "Neue Vahr Süd", die seine Zeit in Bremen und bei der Bundeswehr behandelt und danach "Der kleine Bruder", der quasi die Geschehnisse unmittelbar vor "Herr Lehmann" beschreibt.
Das Buch bekommt von mir volle Punktzahl, da ich auch einfach viel weniger erwartet hatte, als es dann im Endeffekt geboten hat. Klare Leseempfehlung meinerseits!


 


Vielen Dank für's Lesen!
Lasst doch mal 'nen Kommentar da, falls ihr das Buch auch gelesen habt, es lesen wollt, oder wie auch immer.
Karokoenigin.